Warum Elisabeth Fry?

Jede Handlung beginnt nicht mit der Tat
sondern im Fühlen und Denken


Wer war Elisabeth Fry?
Die Darstellung dieser Frau, zeigt eine gutbürgerliche ältere Dame, der Kleidung nach frühes 19. Jahrhundert. Eines von vielen Porträts dieser Zeit, in der es zum guten Ton gehörte, sich malen zu lassen.
Wer war diese Frau? Eine gutbürgerliche Existenz, Quäkerin, 11 (!) Kinder, ein großer Haushalt. Das allein wäre schon eine erfüllende Aufgabe.
Das Imponierende an Elisabeth Fry ist, dass sie geistig und seelisch über den Zeitgeist des 19. Jhd. hinauswächst.
So glaubte man damals allgemein, dass z.B.  auch bei geringfügigeren Delikten besonders harte Strafen notwendig wären und abschreckende Wirkung hätten. 
Die Methoden sehen so aus: Die Gefangenen werden allein in winzigen, Zellen verwahrt oder in größeren nicht belüftbaren Räumen zusammengepfercht. Die Ungehorsamen sind  an den Mauern angekettet und Folter ausgesetzt. Die zum Tode Verurteilten werden in Holzkisten eingeschlossen und Neugierigen gegen Entgelt eines Schillings  gezeigt. In den Frauengefängnissen dürfen und sollen die Mütter ihre Kinder in die Haft mitnehmen. Es gibt sonst keinen Platz für die Kleinen in der Gesellschaft. Niemand kümmert sich um diese Frauen und Kinder in dieser Hölle von Dunkelheit, Schmutz und fürchterlichem Gestank.
Niemand fühlt mit diesen Verachteten, diesen Ausgestoßenen, diesen Elenden, niemand denkt an ihre Verzweiflung und ihre Wut.

Elisabeth Fry hört von diesen Zuständen. Politiker, Philosophen, Künstler, die geistige Oberschicht weiß davon, aber   keiner wird davon bewegt. Diese „braven und gerechten“ Bürger sind Meister im Ausblenden dieser furchtbaren Zustände, denn das Hinschauen macht Unbehagen.  Also nimmt man diese unmenschlichen Bedingungen erst gar nicht wahr.
Elisabeth Fry, eine Frau, die  mit Kindern, Küche, Kirche genug zu tun und zu denken hat, fühlt sich im Innersten als Mensch und Christin  angesprochen. Sie sieht in jedem Menschen den Wert der individuellen Person. Und sie sieht, dass niemand Interesse hat diese Zustände zu ändern.
So tut sie also, was zu tun ihr dringend notwendig erscheint.
Sie besucht die Insassen im Frauengefängnis. Allein will sie in die Gefängnisräume gehen. Dazu hatte sie eine Bewilligung der Regierung einholen müssen, denn die Wut, und die Aggressionen der Gefangenen sind extrem gefährlich. Aber sie betritt trotz Warnung, ohne bewaffnete Wärter ganz allein die Gefängnisräume. Überrascht verstummt plötzlich das Schreien, Weinen und Seufzen. In diese Stille hinein sagt Elisabeth Fry, ein Kind auf den Arm nehmend:
„ Und für die Kinder, was können wir da tun?“
Damit  hat sie den Gedanken ausgesprochen, der den Frauen am wichtigsten war.  Sie hat den Verzweifelten,
den Erniedrigten einen Funken Hoffnung gegeben. Vorerst eine Hoffnung für deren Kinder.
Elisabeth Fry hat die Herausforderung, die durch ihr Fühlen und Denken bestimmt war, angenommen. Sie kämpfte mit Erfolg für eine allgemeine Verbesserung der Haftbedingungen, gründete auf ihrem eigenen Besitz Heime und Schulen für die Kinder dieser Frauen,
sie war und ist „der Engel der Gefangenen“.
Und für die Kinder, was können wir da tun?
Immer klarer wird uns bewusst, dass nicht nur  unsere eigenen Kinder wichtig und wertvoll sind, sondern auch  das „andere Kind“, der „andere Mitmensch", und auch der weit entfernte Mensch einer anderen Kultur. 
„ Einander Kind sein“.  Für einander liebevoll sorgen, wie es die Schriftstellerin Barbara  Frischmut formuliert, schließt nicht nur familiäre Beziehungen ein. Dieses „einander Kind sein“ legt uns diese Verantwortung nicht nur  dem Nächsten, dem Mitmenschen gegenüber nahe, sondern auch der Natur, der Umwelt und dem Umgang mit den heute schon nicht mehr überschaubaren Möglichkeiten der Technik.
“ Das Weibliche, das Mütterliche, das Elternherz, schließlich ist es, worin die Kraft zur Veränderung liegt, zur Erneuerung unserer Gesellschaft“.
Elisabeth Fry ist da ein herausragendes Vorbild.